> Der neue Tabernakel 1948

Der neue Tabernakel 1948

Aus: Schönstattquell 1948, S. 74 ff.

Ein kostbares Geschenk

Der letzte Tag des Maimonats neigt sich dem Abend zu. (Anmerkung: Die Feierstunde begann abends um 17.30 Uhr, der mitwirkende und predigende Priester war Pater Josef Friedrich SAC.) Der Altar des Heiligtums unserer Dreimal wunderbaren Mutter und Königin von Schönstatt prangt im Schmucke vieler weißer Nelken und schlanker Kerzen. Zarte Tüllschleier fallen über die seitlichen Blumenständer, die, stufenförmig aufgebaut, die blühende Pracht bis fast zur Kommunionbank vortragen. Ganz bräutlich sieht das Kapellchen aus, so, als erwarte es ein großes Ereignis. Der Holzschrein des Tabernakels ist geschlossen; er ist leer – das ewige Licht brennt nicht ... Die zu Exerzitien hier weilenden Mitglieder der Jungfrauenliga sammeln sich schweigend seitwärts vom Kapellchen bei den Heldengräbern. Kerzen flammen auf, und die Lampen gießen ihre Lichtfülle in den Chorraum. Der Priester kommt. Die Ligaschwestern ziehen ein, soweit sie Platz finden können; die übrigen bleiben vor dem Heiligtum. Schade, daß seine Mauern sich nicht weiten können, um alle zu fassen.

Nachdem der Chor das „Veni Sancte Spiritus“ gesungen, hält der Priester eine Ansprache über die Geschichte und Symbolik des neuen Tabernakels, der nun feierlich geweiht werden soll und von der Jungfrauenliga ganz eropfert worden ist.

Als der Vortrag zu Ende ist, läutet es den Angelus. Wie schön ist das in diesem Augenblick! Wir werden erinnert an das geheimnisvolle Ereignis, da die Gottesmutter zum lebendigen Tabernakel wird, an die Stunde der Verkündigung.

Und dann beginnt die Andacht mit einem Lobpreis auf die Gottesmutter. Im Geiste wird die ganze LigaGemeinschaft herbeigerufen ins Heiligtum, um mit den Anwesenden die Gottesmutter zu grüßen, ihr als der Königin zu huldigen, ihr zu danken für ihre barmherzige Liebe und ihre Treue, um ihr für ihren Sohn das kostbare Geschenk des neuen Tabernakels zu überreichen. – Worte aus der Hl. Schrift über das neue Jerusalem, das Zelt Gottes unter den Menschen und über die Bundeslade werden auf die Gottesmutter angewandt, die von Gott Erfüllte, die als lebendige Lade des neuen Bundes das Ideal der Ligagemeinschaft in vollkommener Weise verkörpert. Ein Wechselgebet folgt:

Vorb.: O Du wunderbare Mutter des eingeborenen Gottessohnes, Du warst ausersehen. der erste wahre Tabernakel auf der Welt zu sein.

Alle: Wir grüßen Dich, Maria, Du heiliges Gotteszelt!

Vorb.: O Du erhabene Frau, längst verheißen und ersehnt, Du hast das Heil der Welt in Deinem Schoß getragen.

Alle: Wir grüßen Dich, Maria, Du heiliges Gotteszelt!

Vorb.: O Du gotttragende Arche des neuen Bundes,
Du trägst Christus auch heute noch hinein in alle Welt!

Alle: Wir grüßen Dich, Maria, Du heiliges Gotteszelt!
Christusträgerin Maria, segne uns!

Vorb.: Du ganz jungfräuliche Madonna! Du hast uns allerreinstes Manna, das lebendige Gottesbrot gebracht!

Alle: Wir loben Dich, Maria, Du lebendiges Gotteszelt!

Vorb.: Du liebeerfüllte, lebenbringende Maria! Du schenkst den Herrn in unsere Herzen, Christus, deinen Sohn.

Alle: Wir loben Dich, Maria, lebendiges Gotteszelt!
Vorb.: Du Morgenröte, Abglanz des Herrn. Du bringst uns Christus, die Sonne, und führst uns zu ihr.

Alle: Wir loben Dich, Maria, lebendiges Gotteszelt!
Chistusbringerin Maria, segne uns!

Nach einem Weihegebet singt der Chor das Lied: „Heilige Erde, mein Schönstattland ...“, dessen 3. Strophe sich ganz an den Heiland wendet. Der Priester beginnt während des Singens langsam den Tabernakel zu öffnen. Alle Augen schauen gespannt nach vorn. Die Holztüren werden zurückgeschlagen und die Außenseite des Metallschreins wird sichtbar. Aus einem großen Lilienkelche steigt golden das Kreuz empor – und die vergoldete, ziselierte Türe trägt aufgelegt die Worte: Nobis datus, nobis natus ex intacta virgine – Uns gegeben, uns geboren aus der unversehrten Jungfrau. Nun tun sich die Metalltüren auf, und wir schauen auf ihrer silbernen Innenseite die Verkündigungsszene – die kniende, für Gott geöffnete, ihn empfangend hingegebene Gottesmutter und den Engel Gabriel in schwebender Bewegung und heiliger Scheu. Es ist, als ob die Gottesmutter ganz Andacht und Bereitschaft, der Engel die reine Ehrfurcht sei. In Falten gelegte Gardinen mit feinster Durchbrucharbeit verhüllen das Innere. – Wie viele Seelen wird dieses überaus schöne Werk der Goldschmiedekunst zum Beten stimmen und zum Betrachten über die so innigen Beziehungen zwischen den Mysterien der Menschwerdung und der hl. Eucharistie. Die Gottesmutter hat offenbar dem Künstler die Hand geführt, daß sein Werk gelinge, ihren Sohn verherrliche und die Seelen in seinen Bann ziehe.

Am geöffneten Tabernakel wird sodann die liturgische Weihe vollzogen. Nun ist er bereit, den König der Könige zu empfangen. Das Allerheiligste wird vom Terziatshaus herübergetragen, und freudig bewegt begrüßt der Chor den einziehenden eucharistischen Heiland mit dem Liede: „Singt dem König Freudenpsalmen ...“ Es folgt die Anbetung des in der Monstranz ausgesetzten höchsten Gutes: „Ich bete an und beuge, Gottheit, mich vor Dir ...“ spricht der Priester, – das Adoro te des hl. Thomas von Aquin. Der Chor singt das Tantum ergo, der Priester gibt den Segen und setzt sodann das Allerheiligste im Ciborium aus. Im Schlußlied klingen Inhalt und Stimmung der Feier zusammen:

O Herr, laß mich ein Tabernakel sein,
geheimnistief und rein;
in Schönheit bergend Dich,
der Schönheit Quell,
die ganze Welt erfreuend,
sonnenhaft und hell!

Maria, Du des ew’gen Königs edler Schrein!
Wie Du laß mich ein heiliger Tabernakel sein.